Barunterhalt im Wechselmodell

So berechnest du den Kindesunterhalt korrekt

Immer mehr getrennte Eltern entscheiden sich dafür, ihre Kinder gemeinsam zu betreuen – im sogenannten Wechselmodell. Dabei lebt das Kind nicht dauerhaft bei einem Elternteil, sondern verbringt ungefähr gleich viel Zeit bei Mutter und Vater. Diese moderne Form der Betreuung bringt viele Vorteile, aber auch einige rechtliche und finanzielle Fragen mit sich. Eine der wichtigsten lautet: Wie wird der Kindesunterhalt im Wechselmodell richtig berechnet?

In Deutschland betrifft dieses Thema inzwischen viele Familien. Laut aktuellen Familienstatistiken leben etwa 11,8 Millionen Familien mit Kindern hierzulande, darunter rund 2,8 Millionen Alleinerziehende. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen, dass nur knapp 60 Prozent aller unterhaltspflichtigen Eltern regelmäßig den vollen Kindesunterhalt zahlen. Bei Eltern im Wechselmodell ist die Quote höher, aber auch hier entstehen häufig Unsicherheiten und Missverständnisse. Genau deshalb ist es wichtig, die Regeln und Berechnungsgrundlagen zu kennen.

Im Folgenden erkläre ich verständlich und praxisnah, was das Wechselmodell bedeutet, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten, wie der Barunterhalt berechnet wird und worauf Eltern besonders achten sollten.

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Hinweis: Dies ersetzt kein ganzheitliches Beratungsgespräch.

Bedeutung der Steuerklasse nach der Trennung

Ein zentrales Thema nach dem Ende einer Ehe ist die Steuerklasse. Viele Ehepaare nutzen während der Ehe die Kombination III/V oder IV/IV, um steuerliche Vorteile zu haben. Doch nach einer Trennung ändert sich diese Situation grundlegend.

Grundsätzlich gilt: Für das Jahr der Trennung können Ehegatten noch die gemeinsame Veranlagung wählen, sofern sie bis zum 31. Dezember nicht dauerhaft getrennt leben. Ab dem folgenden Jahr müssen die Steuerklassen angepasst werden.

Wer nach der Trennung allein mit Kindern lebt, kann die Steuerklasse II beantragen, die den sogenannten Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt. Der andere Partner wechselt in die Steuerklasse I. Genau diese Veränderung wirkt sich spürbar auf das Nettoeinkommen aus und sollte frühzeitig bedacht werden.

Gerade wenn Unterhalt gezahlt werden muss, ist die neue Steuerklasse entscheidend, um die finanzielle Situation realistisch einzuschätzen.

Was genau bedeutet das Wechselmodell

Das Wechselmodell beschreibt eine Betreuungsform, bei der das Kind regelmäßig und in etwa zu gleichen Teilen bei beiden Eltern lebt. Meist verbringt es eine Woche bei der Mutter, die nächste beim Vater – oder eine ähnliche Aufteilung, die dem Alltag der Familie entspricht. Entscheidend ist, dass beide Eltern die Verantwortung für Alltag, Erziehung und Versorgung tragen.

Ein echtes Wechselmodell liegt in der Regel vor, wenn das Kind mindestens 40 Prozent seiner Zeit bei jedem Elternteil verbringt. Alles darunter gilt meist als erweiterter Umgang, nicht als gleichberechtigtes Wechselmodell. Dieses Modell unterscheidet sich vom klassischen Residenzmodell, bei dem das Kind dauerhaft bei einem Elternteil lebt und der andere Barunterhalt zahlt.

Das Wechselmodell ist vor allem dann sinnvoll, wenn beide Eltern nach der Trennung weiterhin aktiv am Leben des Kindes teilnehmen möchten, in räumlicher Nähe wohnen und eine gute Kommunikationsbasis haben.

Warum der Barunterhalt im Wechselmodell eine besondere Rolle spielt

Im Residenzmodell ist klar geregelt: Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, erfüllt seine Unterhaltspflicht durch Betreuung, der andere zahlt Barunterhalt. Im Wechselmodell aber betreuen beide Eltern – also müssen beide auch zum Barunterhalt beitragen. Das sorgt häufig für Verwirrung.

Ein häufiges Missverständnis ist, dass beim Wechselmodell kein Unterhalt mehr gezahlt werden muss. Das stimmt nicht. Zwar übernimmt jeder Elternteil einen Teil der alltäglichen Kosten, doch das ändert nichts daran, dass beide finanziell nach ihren Möglichkeiten für den gesamten Bedarf des Kindes aufkommen müssen. Wenn also einer der beiden deutlich mehr verdient, wird er auch den größeren Teil des Unterhalts tragen.

Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Kind unabhängig von der Einkommensverteilung der Eltern einen gleichbleibenden Lebensstandard hat – egal, bei wem es gerade wohnt.

Die rechtlichen Grundlagen für den Barunterhalt

Die Berechnung des Kindesunterhalts im Wechselmodell stützt sich auf dieselben gesetzlichen Grundlagen wie der klassische Unterhalt, wird aber anders angewendet.

Die wichtigste Vorschrift ist § 1612a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dort steht, dass sich der Mindestunterhalt nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum richtet. Dieser Wert wird regelmäßig angepasst und bildet die Grundlage der sogenannten Düsseldorfer Tabelle.

Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz, aber die bundesweit anerkannte Leitlinie zur Berechnung von Kindesunterhalt. Sie berücksichtigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und das Alter des Kindes.

  • 1612b BGB regelt die Anrechnung des Kindergeldes. Beim Wechselmodell wird das Kindergeld in der Regel hälftig auf beide Eltern aufgeteilt, weil beide den Unterhalt gemeinsam tragen.

Wichtig ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie stellt klar, dass beim echten Wechselmodell beide Elternteile anteilig barunterhaltspflichtig sind – und zwar in dem Verhältnis, in dem ihre Einkommen zueinander stehen.

Voraussetzungen für ein echtes Wechselmodell

Damit ein Wechselmodell rechtlich anerkannt wird, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Das Kind muss regelmäßig bei beiden Eltern leben, und zwar in einem annähernd gleichen zeitlichen Umfang. Ein Aufenthalt von zwei bis drei Tagen pro Woche beim anderen Elternteil reicht in der Regel nicht aus.

Beide Eltern müssen bereit und in der Lage sein, den Alltag des Kindes zu organisieren. Dazu gehört ein kindgerechtes Zuhause, verlässliche Betreuung und die Fähigkeit, Entscheidungen gemeinsam zu treffen.

Auch die Kommunikation spielt eine große Rolle. Ein funktionierendes Wechselmodell setzt ein Mindestmaß an Kooperation voraus. Wenn die Eltern stark zerstritten sind oder der Austausch kaum möglich ist, kann das Modell schnell scheitern.

So berechnest du den Barunterhalt im Wechselmodell

Die Berechnung des Barunterhalts im Wechselmodell ist etwas komplexer als im klassischen Modell, aber mit etwas Geduld gut nachvollziehbar.

Schritt 1: Das bereinigte Nettoeinkommen ermitteln

Zunächst werden die Nettoeinkommen beider Eltern ermittelt. Dabei zählt nicht nur das monatliche Gehalt, sondern auch Sonderzahlungen, Bonuszahlungen oder Nebeneinkünfte. Von diesem Betrag werden Steuern, Sozialabgaben und berufsbedingte Aufwendungen abgezogen.

Das Ergebnis ist das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen. Es bildet die Grundlage für die Unterhaltsberechnung.

Schritt 2: Den Bedarf des Kindes bestimmen

Der Bedarf richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Diese ordnet das Kind je nach Alter einer bestimmten Einkommensgruppe zu. Ein Kind im Alter von 6 bis 11 Jahren hat zum Beispiel bei einem Nettoeinkommen von etwa 2.500 Euro einen Regelbedarf von rund 579 Euro im Monat.

Schritt 3: Das Kindergeld berücksichtigen

Das Kindergeld wird in Deutschland grundsätzlich zur Hälfte auf beide Eltern angerechnet. Aktuell beträgt es 255 Euro pro Kind im Monat. Jeder Elternteil profitiert also von 127,50 Euro.

Schritt 4: Die Einkommensanteile vergleichen

Beim Wechselmodell ist entscheidend, wie sich die Einkommen der Eltern zueinander verhalten. Verdient ein Elternteil zum Beispiel 3.000 Euro netto und der andere 2.000 Euro, beträgt das Verhältnis 60 zu 40. Das bedeutet, der besser verdienende Elternteil trägt 60 Prozent des Gesamtbedarfs, der andere 40 Prozent.

Schritt 5: Den konkreten Unterhalt berechnen

Nehmen wir ein Beispiel:
Ein zehnjähriges Kind hat laut Düsseldorfer Tabelle einen monatlichen Bedarf von 603 Euro. Nach Abzug des halben Kindergeldes bleiben 475,50 Euro. Dieser Betrag wird im Verhältnis der Einkommen aufgeteilt.

Elternteil A (3.000 Euro) zahlt 60 Prozent, also 285,30 Euro.
Elternteil B (2.000 Euro) zahlt 40 Prozent, also 190,20 Euro.

Da beide auch Betreuungsleistungen erbringen, kann dieser Betrag ausgeglichen oder über eine gemeinsame Kasse verwaltet werden. Wichtig ist, dass die Kosten fair verteilt sind.

Sonderbedarf und Mehrbedarf richtig einordnen

Neben dem Grundbedarf gibt es im Alltag oft zusätzliche Ausgaben: Klassenfahrten, Nachhilfe, medizinische Behandlungen oder Musikunterricht. Diese Posten gelten als Sonderbedarf oder Mehrbedarf.

Sonderbedarf sind unregelmäßige, unvorhersehbare Kosten – etwa eine Zahnspange oder ein Auslandsaufenthalt. Mehrbedarf sind regelmäßige, aber zusätzliche Kosten wie Betreuung in der Nachmittagsbetreuung oder Vereinsbeiträge.

Auch hier gilt: Beide Eltern tragen diese Kosten anteilig nach ihrem Einkommen. Wichtig ist, dass solche Ausgaben vorher besprochen und transparent dokumentiert werden, damit es später keine Streitigkeiten gibt.

Typische Fehler und wie man sie vermeidet

Ein häufiger Fehler ist, das Wechselmodell nur formal zu leben, ohne dass es tatsächlich paritätisch umgesetzt wird. Wenn das Kind überwiegend bei einem Elternteil lebt, liegt kein echtes Wechselmodell vor – und die Unterhaltsberechnung folgt dem klassischen Modell.

Auch unklare Absprachen führen oft zu Problemen. Wer bezahlt Kleidung, Schulbedarf oder Taschengeld? Werden Fahrtkosten berücksichtigt? Solche Fragen sollten möglichst früh und schriftlich festgelegt werden.

Ebenso wichtig ist es, das Einkommen regelmäßig zu überprüfen. Wenn sich das Gehalt ändert oder ein Elternteil weniger arbeitet, muss der Unterhalt angepasst werden.

Emotionale und praktische Aspekte

Neben allen juristischen Details darf man nicht vergessen, worum es eigentlich geht: um das Wohl des Kindes. Das Wechselmodell kann nur funktionieren, wenn beide Eltern bereit sind, Verantwortung zu teilen und das Kind in den Mittelpunkt zu stellen.

Ein gut geregeltes Modell schafft für Kinder Stabilität und das Gefühl, dass beide Eltern weiterhin für sie da sind. Gleichzeitig fühlen sich beide Elternteile gleichberechtigt, was langfristig zu weniger Konflikten führt.

Auch der finanzielle Ausgleich trägt dazu bei. Wenn beide Eltern sehen, dass sie ihren Beitrag leisten – sowohl zeitlich als auch finanziell –, stärkt das das Vertrauen und die Zusammenarbeit.

Fazit

Der Barunterhalt im Wechselmodell ist kein einfacher Rechenvorgang, sondern eine Balance aus Gerechtigkeit, Verantwortung und Transparenz. Beide Eltern sind gefordert, ihre Einkünfte offen zu legen, Betreuungszeiten ehrlich zu dokumentieren und gemeinsam Lösungen zu finden.

Wer das beherzigt, schafft die Grundlage für ein faires und stabiles Familienmodell nach der Trennung. Die richtige Berechnung sorgt nicht nur für finanzielle Klarheit, sondern vor allem dafür, dass das Kind in beiden Haushalten gut versorgt ist.

Am Ende geht es beim Unterhalt im Wechselmodell nicht um Zahlen allein, sondern um Fairness – gegenüber dem Kind und gegenüber beiden Elternteilen. Ein ehrlicher und gerechter Umgang miteinander ist die beste Basis, damit das Modell funktioniert und alle Beteiligten davon profitieren.

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Hinweis: Dies ersetzt kein ganzheitliches Beratungsgespräch.

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