Selbstbehalt richtig verstehen
Wie er sich bei verschiedenen Unterhaltsmodellen unterscheidet
Wenn Beziehungen oder Ehen enden, beginnt für viele Familien eine neue Lebensphase – emotional, organisatorisch und vor allem finanziell. Ein zentrales Thema dabei ist der Unterhalt. Wer muss wie viel zahlen, und was darf man selbst behalten? Hier kommt der Begriff „Selbstbehalt“ ins Spiel. Er beschreibt den Betrag, der jedem Unterhaltspflichtigen mindestens bleiben muss, um die eigene Existenz zu sichern.
In Deutschland wird der Selbstbehalt regelmäßig angepasst, weil sich Lebenshaltungskosten, Mieten und wirtschaftliche Bedingungen verändern. Aktuell liegt der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige gegenüber minderjährigen Kindern bei 1.450 Euro im Monat, für nicht Erwerbstätige bei 1.200 Euro. Diese Werte sollen sicherstellen, dass niemand durch Unterhaltszahlungen selbst in finanzielle Not gerät. Gleichzeitig zeigt sich: Rund 40 Prozent der Unterhaltspflichtigen können laut Untersuchungen nicht den vollen Kindesunterhalt leisten. Der Selbstbehalt ist also kein theoretisches Konzept, sondern gelebte Realität – er entscheidet, wie viel tatsächlich gezahlt werden kann.
In diesem Artikel möchte ich dir verständlich erklären, was der Selbstbehalt genau bedeutet, wie er berechnet wird und warum er sich je nach Unterhaltsmodell unterscheidet. Du erfährst, welche Faktoren eine Rolle spielen, welche Beträge aktuell gelten und wie du einschätzen kannst, was für dich realistisch ist.
Was der Selbstbehalt bedeutet
Der Selbstbehalt ist der Betrag, der einem Unterhaltspflichtigen mindestens bleiben muss, nachdem er seiner Zahlungspflicht nachgekommen ist. Er dient also als finanzielle Schutzgrenze. Das Ziel ist, sicherzustellen, dass derjenige, der Unterhalt zahlen muss, trotzdem noch genug Geld zum Leben hat.
Rechtlich betrachtet ist der Selbstbehalt kein „Geschenk“, sondern Ausdruck des Grundsatzes der Zumutbarkeit. Niemand soll durch Unterhaltsverpflichtungen selbst bedürftig werden. Wenn das Einkommen unter diesen Betrag fällt, gilt man im rechtlichen Sinn als nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig.
Die Höhe des Selbstbehalts hängt davon ab, gegenüber wem der Unterhalt gezahlt wird – also ob es sich um Kinder, einen Ex-Partner oder Eltern handelt. Auch die eigene Lebenssituation spielt eine Rolle: Wer erwerbstätig ist, hat einen höheren Selbstbehalt als jemand, der kein Einkommen erzielt.
Der Selbstbehalt beim Kindesunterhalt
Am häufigsten kommt der Selbstbehalt im Zusammenhang mit Kindesunterhalt vor. Wenn Eltern sich trennen, ist in der Regel derjenige barunterhaltspflichtig, bei dem das Kind nicht hauptsächlich lebt.
Der notwendige Selbstbehalt beträgt aktuell 1.450 Euro für erwerbstätige Elternteile und 1.200 Euro für nicht Erwerbstätige. In diesem Betrag sind durchschnittliche Wohnkosten bereits enthalten. Wer also deutlich höhere Mieten zahlt, kann im Einzelfall eine Anpassung beantragen, aber grundsätzlich ist der Selbstbehalt eine feste Untergrenze.
Angenommen, du verdienst monatlich 2.400 Euro netto. Nach Abzug deines Selbstbehalts bleiben dir 950 Euro. Davon wird der Kindesunterhalt berechnet – meist mithilfe der Düsseldorfer Tabelle, die nach Einkommen und Alter des Kindes gestaffelt ist.
Liegt dein Einkommen allerdings so niedrig, dass du mit dem Selbstbehalt schon am Limit bist, kann es zu einem sogenannten Mangelfall kommen. Das bedeutet, dass du rechtlich gar nicht mehr leisten musst, als dir nach dem Selbstbehalt möglich ist. Trotzdem solltest du den Kontakt zum anderen Elternteil oder zu einer Beratungsstelle suchen, um gemeinsam Lösungen zu finden – denn jede Situation wird individuell bewertet.
Der Selbstbehalt beim Ehegattenunterhalt
Nach einer Trennung oder Scheidung kann auch ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt bestehen. Hier gelten andere Regeln als beim Kindesunterhalt, denn die wirtschaftliche Beziehung zwischen Ex-Partnern beruht auf einer früheren gemeinsamen Lebensführung.
Der Selbstbehalt gegenüber einem Ehegatten ist in der Regel höher und liegt derzeit bei rund 1.600 Euro für Erwerbstätige. Der Gedanke dahinter ist, dass man dem Unterhaltspflichtigen genug Geld für die eigene Lebensführung lassen muss, um den eigenen Alltag weiterhin bestreiten zu können.
Bei Ehegattenunterhalt wird oft das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen herangezogen. Dazu zählen alle regelmäßigen Einkünfte abzüglich Steuern, Sozialabgaben und berufsbedingter Kosten. Auch hier gilt: Erst wenn der Selbstbehalt gewahrt bleibt, ist Unterhalt überhaupt zahlbar.
Besonders wichtig ist beim Ehegattenunterhalt die Dauer der Ehe und ob einer der Partner während dieser Zeit auf eigenes Einkommen verzichtet hat, etwa um Kinder zu betreuen. Diese Aspekte beeinflussen, ob und wie lange Unterhalt zu zahlen ist.
Der Selbstbehalt beim Elternunterhalt
Eine häufig unterschätzte Unterhaltsform ist der Elternunterhalt. Hier geht es darum, dass erwachsene Kinder ihre pflegebedürftigen Eltern finanziell unterstützen sollen, wenn diese Heimkosten oder Pflegeleistungen nicht selbst tragen können.
Der Selbstbehalt liegt beim Elternunterhalt meist höher als bei anderen Unterhaltsarten, in der Regel zwischen 1.800 und 2.000 Euro monatlich. Das soll sicherstellen, dass die Kinder ihren eigenen Lebensstandard wahren können.
Anders als beim Kindesunterhalt spielt beim Elternunterhalt auch das Vermögen eine größere Rolle. Es wird geprüft, ob jemand nicht nur aus laufendem Einkommen, sondern auch aus Ersparnissen zahlen könnte. Dennoch gilt auch hier der Grundsatz: Niemand soll durch Unterhaltspflichten für die eigenen Eltern selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Wie sich der Selbstbehalt berechnet
Der Selbstbehalt ist kein willkürlich festgelegter Wert, sondern basiert auf konkreten Lebenshaltungskosten. Er berücksichtigt Ausgaben für Wohnen, Ernährung, Kleidung, Strom, Versicherungen und persönliche Bedürfnisse.
Um die tatsächliche Leistungsfähigkeit zu bestimmen, wird zunächst das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen ermittelt. Dazu zieht man vom Bruttoeinkommen alle gesetzlichen Abzüge ab – Steuern, Sozialversicherung, Arbeitsmittel, teilweise auch Fahrtkosten.
Das Ergebnis zeigt, wie viel monatlich wirklich zur Verfügung steht. Danach wird geprüft, ob und in welcher Höhe Unterhalt gezahlt werden kann, ohne dass der Selbstbehalt unterschritten wird.
Wer mehrere Unterhaltspflichten hat – etwa gegenüber Kindern und einem Ex-Partner – muss mit einer Priorisierung rechnen. Kinder haben Vorrang, danach folgen Ehegatten, zuletzt Eltern.
Einflussfaktoren auf den Selbstbehalt
Mehrere Faktoren können den Selbstbehalt beeinflussen:
Die Erwerbstätigkeit spielt eine große Rolle. Wer arbeitet, darf mehr behalten, weil er laufende Aufwendungen hat, zum Beispiel Fahrtkosten, Arbeitskleidung oder höhere Lebenshaltungskosten.
Auch Wohnkosten sind ein wichtiger Punkt. In Regionen mit sehr hohen Mieten kann der Selbstbehalt angepasst werden. Das gilt aber nur, wenn diese Kosten notwendig und nicht überdurchschnittlich sind.
Eine weitere Variable ist die Zahl der Unterhaltsberechtigten. Wer für mehrere Kinder oder Angehörige zahlen muss, hat oft weniger finanziellen Spielraum, was die Gerichte in der Regel berücksichtigen.
Gesundheitliche Einschränkungen oder eine reduzierte Erwerbsfähigkeit können ebenfalls eine Rolle spielen. Wer etwa krankheitsbedingt nicht mehr voll arbeiten kann, hat einen geringeren Leistungsrahmen.
Wenn der Selbstbehalt unterschritten wird
Kommt es dazu, dass der Selbstbehalt nicht eingehalten werden kann, spricht man von einem Mangelfall. Das passiert, wenn das Einkommen so niedrig ist, dass die gesetzliche Mindestgrenze unterschritten würde.
In einem solchen Fall prüft das Gericht, ob und in welchem Umfang Unterhalt noch gezahlt werden kann. Der Pflichtige muss dabei nachweisen, dass er alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um seine Einkünfte zu erhöhen.
Ziel ist es, eine faire Lösung zu finden, die sowohl den Bedürfnissen des Unterhaltsempfängers als auch den finanziellen Möglichkeiten des Pflichtigen gerecht wird. Niemand soll auf Kosten des anderen verarmen – weder der Unterhaltspflichtige noch das Kind oder der frühere Partner.
Der Selbstbehalt im Wechselmodell
Im Wechselmodell, bei dem Kinder abwechselnd bei beiden Eltern leben, wird der Selbstbehalt etwas anders betrachtet. Hier tragen beide Eltern sowohl Betreuungs- als auch Barunterhaltspflichten.
Da beide zum Teil für den Lebensunterhalt des Kindes aufkommen, wird der Selbstbehalt oft anteilig berücksichtigt. Die Einkommen beider Eltern werden miteinander verglichen, und der Unterhalt wird entsprechend der Leistungsfähigkeit aufgeteilt.
Das bedeutet: Auch im Wechselmodell bleibt jedem Elternteil ein Selbstbehalt – allerdings wird die Höhe der Zahlungen in Relation gesetzt. Wer mehr verdient, trägt einen größeren Anteil, auch wenn beide gleich viel Zeit mit dem Kind verbringen.
Tipps zum Umgang mit dem Selbstbehalt
Wer Unterhaltspflichten hat, sollte seine finanzielle Situation regelmäßig prüfen. Änderungen im Einkommen, steigende Mieten oder zusätzliche Verpflichtungen können den Selbstbehalt beeinflussen.
Es kann hilfreich sein, eine Übersicht über alle monatlichen Ausgaben zu führen. So lässt sich schnell erkennen, ob der aktuelle Selbstbehalt realistisch ist oder angepasst werden sollte.
Auch eine rechtzeitige Kommunikation mit dem anderen Elternteil oder dem Ex-Partner kann viele Missverständnisse vermeiden. Wer offen über finanzielle Veränderungen spricht, kann gemeinsam Lösungen finden, bevor Konflikte entstehen.
Bei komplexen Fällen ist eine rechtliche Beratung sinnvoll. Fachanwälte für Familienrecht oder Beratungsstellen helfen, den individuellen Selbstbehalt zu berechnen und mögliche Ansprüche zu klären.
Fazit
Der Selbstbehalt ist das Herzstück jeder Unterhaltsberechnung. Er sorgt dafür, dass Unterhaltspflichtige finanziell handlungsfähig bleiben, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass Kinder, Ex-Partner oder Eltern angemessen versorgt sind.
Je nach Unterhaltsmodell – Kindes-, Ehegatten- oder Elternunterhalt – unterscheiden sich die Beträge und Voraussetzungen deutlich. Wer seine finanzielle Situation kennt, realistisch einschätzt und Veränderungen frühzeitig anpasst, kann Konflikte vermeiden und faire Lösungen schaffen.
Am Ende gilt: Unterhalt ist immer eine Frage des Gleichgewichts zwischen Verantwortung und Eigenständigkeit. Der Selbstbehalt ist dabei der Schlüssel, der diese Balance ermöglicht – gerecht, nachvollziehbar und menschlich.

